Marketing Automation – Fluch oder Segen für den Mittelstand?

Marketing Automation – für viele Mittelständler klingt das nach einer verheißungsvollen Zukunft, für andere nach Technikblase und Unsicherheit. Während manche sofort an Effizienz und neue Chancen denken, schrecken andere vor technischen Buzzwords und dem Gefühl zurück, nicht zu wissen, ob das überhaupt ins eigene Unternehmen passt.

Ich selbst durfte Marketing Automation aus verschiedenen Perspektiven kennenlernen: In der Vergangenheit als Geschäftsführer des Dialog Marketing Verband Österreich (DMVÖ), der sich Marketing Automation mit einer eigenen Expert Group widmet, in der Gegenwart als Managing Partner  bei der DOMICOM und als Lektor an der FH St. Pölten. Die Erfahrung aus diesen Rollen zeigt mir: Marketing Automation ist weder Fluch noch Segen, sondern ein Werkzeug. Entscheidend ist nicht das Tool an sich, sondern wie und mit welchem Ziel es eingesetzt wird.

Was Marketing Automation kann – und wo sie an Grenzen stößt

Im Kern meint Marketing Automation die Automatisierung von wiederkehrenden Marketing- und Vertriebsprozessen: von der Bestätigungs-Mail über gezieltes Nachfassen bis zur individuellen Kundenansprache in Kampagnen. Richtig eingesetzt, kann sie viel mehr sein als ein Zeit- und Kostensparer. Automatisierung hilft, Kontakte nicht zu verlieren, Kundendaten sinnvoll zu nutzen und Prozesse messbar zu machen. Sie schafft Freiraum für das, was wirklich zählt: die persönliche Betreuung von Kunden und die Weiterentwicklung des eigenen Geschäfts.

Gleichzeitig gilt: Marketing Automation ist kein Selbstläufer. Ohne Ziel und laufende Pflege wird aus der Chance schnell ein Datendschungel. Automatisierung ist niemals ein Selbstzweck – sie muss zur Strategie, zum Team und zu den Ressourcen Ihres Unternehmens passen.

Vom Zögern zum Handeln: Mein persönlicher Aha-Moment

Mein eigener Zugang zum Thema Marketing Automation ist geprägt von vielen Begegnungen und Praxisbeispielen – aus dem DMVÖ, aus Kundenprojekten, aus dem Dialog mit Entscheidern, aber auch aus der Hochschullehre.

Dabei gab es für mich einen Schlüsselmoment, der meine Sicht nachhaltig verändert hat. Über viele Jahre hinweg habe ich an vielen Talks, Events und Workshops zum Thema teilgenommen, spannende Expert:innen gehört und Unternehmen begleitet. Was sich wie ein roter Faden durch alle erfolgreichen Projekte zieht: Nicht Perfektion ist das erste Ziel, sondern der Mut zum Start.

Viele Mittelständler zögern, weil sie glauben, Marketing Automation müsse von Beginn an ein riesiges Projekt sein – oder sie schrecken vor hohen Investitionen und technischem Aufwand zurück. Meine Erfahrung zeigt jedoch: Wer mit klarem Ziel und offenem Geist beginnt, kann schnell die ersten Erfolge sehen – und wächst mit jedem Schritt weiter. Beginnen Sie, wo Sie stehen. Setzen Sie sich ein Ziel. Die ersten Schritte sind die wichtigsten, nicht die letzten.

Stolpersteine und Vorurteile: Die Realität im Mittelstand

Was hält Mittelständler heute noch vom Start ab? Drei Themen tauchen immer wieder auf – in Gesprächen mit Geschäftsführer:innen, in diversen Studien und in der Beratung:

  1. Kosten
    Der Glaube, dass Marketing Automation immer mit hohen Investitionen verbunden ist, hält sich hartnäckig. Die Realität: Es gibt heute viele smarte Tools, mit denen Sie schon mit kleinen Budgets starten können.
  2. Fehlendes Know-how und rechtliche Unsicherheiten
    Oft fehlt es an Ressourcen und spezialisiertem Wissen. Die Frage „Wie gehen wir das an?“ bleibt unbeantwortet – und Datenschutz-Fragen sorgen für zusätzliche Zurückhaltung.
  3. Skepsis gegenüber dem Nutzen
    Viele fragen sich: „Was bringt das wirklich? Macht das unseren Alltag einfacher – oder kommt am Ende nur mehr Technikstress dazu?“ Diese Skepsis ist berechtigt, da der Markt oft mit Versprechen überladen wird, die in der Praxis nicht immer einlösbar sind.
 

Wer diese Stolpersteine kennt, ist bereits einen Schritt weiter: Es geht nicht darum, jedem Hype zu folgen, sondern einen realistischen Weg zu finden. Ein kurzer Reality-Check und der Austausch mit Partnern, die die Herausforderungen des Mittelstands kennen, helfen dabei enorm.

Marketing Automation ist kein Selbstläufer – ihre volle Kraft entfaltet sie nur, wenn Ziel, Strategie und Mensch klar im Driver Seat sind.

– CHRISTOPH BRENNER

Lehre & Praxis: Was aus Lehrveranstaltungen und Kundengesprächen bleibt

Als Lektor für Dialogmarketing an der FH St. Pölten ist mir eines besonders wichtig: die Relevanz von First Party Data – jene Kundendaten, die Unternehmen selbst erheben. Wer systematisch Kundendaten sammelt, pflegt und auswertet, legt das Fundament für jede erfolgreiche Automatisierung. Gerade weil Datenschutz wichtiger wird und externe Datenquellen schwinden, werden First Party Data zur wichtigsten Währung im digitalen Marketing.

Das Positive: Viele mittelständische Unternehmen verfügen bereits über einen Datenschatz – Kontaktdaten, Bestellungen, Feedback, Anfragen. Die Qualität dieser Daten entscheidet später über den Erfolg von Automatisierung.

Gemeinsam mit Studierenden entwickle ich einfache Automatisierungs-Szenarien für fiktive Unternehmen – von der Lead-Erfassung bis zum gezielten E-Mail-Versand. Schnell wird klar: Der Einstieg ist oft weniger kompliziert als gedacht. Es muss nicht alles auf einmal automatisiert werden. Kleine, alltagstaugliche Lösungen bringen meist die schnellsten Erfolgserlebnisse.

Erfolgsfaktor Mensch & First Party Data

Trotz aller Technik bleibt eines unverändert: Die wichtigste Entscheidung treffen immer Sie selbst. Marketing Automation kann entlasten, Prozesse beschleunigen und Daten nutzbar machen. Aber es bleibt ein Werkzeug, das Ihre Erfahrung und Ihr Wissen über die Kunden nicht ersetzen kann. Sie bestimmen, welche Aufgaben automatisiert werden, wo menschliches Gespür gefragt ist und wo Technik sinnvoll unterstützen kann. Die besten Ergebnisse entstehen, wenn Technik und Team zusammenspielen: Der Mensch bleibt im Driver Seat, die Maschine übernimmt die Routine.

Wer sich mit Marketing Automation beschäftigt, sollte frühzeitig die vorhandenen Daten und Prozesse betrachten – und das Gespräch mit erfahrenen Partnern oder im Netzwerk suchen.

Ihre Roadmap: So gelingt der Einstieg

Marketing Automation ist kein Projekt, das „einmal gemacht“ und dann abgehakt ist. Sie entwickelt sich mit Ihrem Unternehmen weiter – Schritt für Schritt. Das Wichtigste: Beginnen Sie nicht mit Technik, sondern mit einer ehrlichen Bestandsaufnahme und einer klaren Zielsetzung.

Fünf Denkanstöße für den Einstieg:

  1. Definieren Sie Ihr Ziel.
    Was möchten Sie mit Automatisierung erreichen? Klare Ziele geben Orientierung und verhindern blinden Technikeinsatz.
  2. Verschaffen Sie sich einen Überblick über Ihre vorhandenen Daten.
    Machen Sie sich bewusst, welche Kundendaten, Kontaktdaten oder Transaktionsdaten schon heute in Ihrem Unternehmen vorhanden sind.
  3. Starten Sie mit einfachen, alltäglichen Prozessen.
    Automatisieren Sie Routinen, die Ihr Team immer wieder beschäftigen. Schon kleine Automatismen – wie der Versand einer Follow-Up Mail – bringen schnelle Erfolgserlebnisse.
  4. Holen Sie sich Inspiration und Unterstützung.
    Reden Sie mit Partnern, besuchen Sie Events oder nehmen Sie an Fachvorträgen teil. Offener Austausch hilft, Hürden abzubauen.
  5. Denken Sie an die Weiterentwicklung.
    Marketing Automation ist kein einmaliges Projekt, sondern entwickelt sich mit Ihrem Unternehmen weiter. Planen Sie regelmäßig kleine Schritte, statt auf den großen Wurf zu warten.

Fazit: Chancen nutzen, Mut haben, einfach starten

Marketing Automation ist für den Mittelstand weder Fluch noch Segen – sie ist ein Werkzeug, das, richtig eingesetzt, enorme Vorteile bringen kann. Technik allein löst keine Probleme, aber sie ermöglicht, Ihr Unternehmen effizienter, kundennäher und wettbewerbsfähiger aufzustellen. Entscheidend ist, dass Sie Ihr Ziel kennen, Ihre Daten im Griff haben und bereit sind, den ersten Schritt zu gehen.

Mein Rat: Haben Sie keine Angst vor Komplexität. Starten Sie mit einem klaren Ziel, setzen Sie auf Ihre eigenen Daten und suchen Sie den Austausch mit anderen. Es muss nicht alles perfekt durchgeplant sein – oft ist der erste, pragmatische Schritt der wichtigste. Dann zeigt sich schnell: Marketing Automation ist kein Fluch, sondern eine echte Chance für mehr Freiraum, bessere Prozesse und zufriedenere Kund:innen.

CHRISTOPH BRENNER

Ich bin Christoph Brenner, Managing Partner und Prokurist der DOMICOM. Mein Schwerpunkt liegt auf Strategie, Kampagnenarchitektur, KPI-Analyse und Trendwatching – kombiniert mit echter Hands-on-Arbeit mit unseren Kunden.
Da, wo andere schon Standardlösungen verkaufen, höre ich zuerst zu und möchte verstehen, wie Ihr Unternehmen tickt. Erst dann setzen wir gezielt Maßnahmen um, die zu Ihnen passen.

In meinen Beiträgen teile ich praxisnahe Einblicke, klare Strategien und ehrliche Erfahrungen aus dem Marketingalltag – immer auf Augenhöhe und mit dem Ziel, den Mittelstand erfolgreich und nachhaltig zu positionieren.

Haben Sie Fragen oder eigene Erfahrungen? Sprechen Sie uns an – wir begleiten Sie gern auf Ihrem Weg zur passenden Lösung.

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